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22. März 2024 |

Angestrebte Änderungen im Mietrecht

Das Obligationenrecht sieht in Art. 270 vor, dass ein Mieter auch einen Anfangsmietzins,
dem er zuvor zugestimmt hat, wegen Missbräuchlichkeit anfechten kann, sofern er sich aufgrund einer Notlage oder den Verhältnissen auf dem Markt für Miet- und Geschäftsräume zum Vertragsabschluss gezwungen sah oder wenn der Vermieter den Mietzins gegenüber dem Vormieter «erheblich» erhöht hat. Die Praxis betrachtet 10% in der Regel als erheblich. Angesichts der aktuell sehr hohen Nachfrage auf dem Markt für Wohnimmobilien im Raum Zürich dürften die Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit in zahlreichen Fällen gegeben sein, zumal gerade diese Marktlage viele Vermieter veranlassen dürfte, bei neu ausgeschriebenen Objekten die Gelegenheit zu einer deutlichen Mietzinserhöhung zu nutzen.

Während bei Mietzinsänderungen während eines laufenden Mietverhältnisses nach der sogenannt «relativen» Methode geprüft und davon ausgegangen wird, dass insbesondere ein Anfangsmietzins, der unangefochten geblieben ist, deshalb nicht missbräuchlich war, ist im Rahmen der Anfechtung eines Anfangsmietzinses die Frage der Missbräuchlichkeit anhand absoluter Kriterien zu prüfen. Zu diesen gehören insbesondere Aspekte der Rendite.

 

Aus naheliegenden Gründen vermeiden es Vermieter nach Möglichkeit, vertrauliche Internas, wie die Beschaffungs- und Erstellungskosten einer Liegenschaft offenzulegen. Und da Mieten, die sich im Rahmen der Orts- und Quartierüblichkeit bewegen, qua Gesetz als «in der Regel nicht missbräuchlich» gelten, greifen viele Vermieter auch bei einer massiven Mietzinserhöhung oft auf das Argument der Orts- und Quartierüblichkeit zurück.

 

Die objektive Feststellung der Orts- und Quartierüblichkeit ist in der Praxis jedoch alles andere als einfach. Während grosse Verwaltungen sowohl einen guten Überblick über die Konditionen laufender Mietverträge haben und auch die Nachfrage nach Wohnungen und damit den erzielbaren Marktpreis oft gut abschätzen können, fällt es Mietern meist schwer, die tatsächlich bezahlten Mieten zuverlässig einzuschätzen. Aufgrund ihrer Mitwirkungspflicht sehen sich Vermieter, welche die Vorlegung von internen Zahlen vermeiden wollen, daher oftmals genötigt, die Orts- und Quartierüblichkeit der von ihnen geforderten Mieten selbst nachzuweisen.

 

Die Gerichtspraxis hat dazu Kriterien erarbeitet, welche meist nur schwer zu erfüllen sind. Gefragt sind in der Regel fünf Vergleichsobjekte, welche sich in der Hand unterschiedlicher Eigentümer befinden – und wohl auch von unterschiedlichen Verwaltungen bewirtschaftet werden. Sie müssen zudem vergleichbar sein, d.h. sich bezüglich Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode vergleichen lassen. Gerade die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Wohnungen bereitet gewisse Schwierigkeiten.

 

Angesichts der Grösse des Marktes für Mietwohnungen und des Umstands, dass die grossen Marktteilnehmer eine sehr grosse Zahl an Wohnungen verwalten, müsste es an sich möglich sein, taugliche Kriterien zu erarbeiten, um die Höhe der tatsächlich bezahlten Mietzinse für vergleichbare Wohnungen zu beurteilen. Dennoch werden von Vermieterseite her keine entsprechenden Datensammlungen erstellt und Zahlen offengelegt und auch die Mietervertreter haben offensichtlich kein Interesse an einer Vereinfachung des Nachweises einer Orts- und Quartierüblichkeit.

Nun wurden von Vermieterseite zwei parlamentarische Initiativen eingereicht, welche zwei Stossrichtungen verfolgen. Einerseits soll die Hürde für die Anfechtbarkeit des Anfangsmietzinses deutlich erhöht werden: Eine «erhebliche» Erhöhung des Mietzinses allein soll nicht mehr genügen zur Zulässigkeit eines Anfechtungsbegehrens, neu soll nur noch zu einer Anfechtung zugelassen werden, wer nachweisen kann, dass er sich beim Vertragsschluss in einer persönlichen oder familiären Notlage befunden hat. Gefordert ist nebst dem Vorliegen einer solchen Notlage natürlich auch die Bereitschaft, diese offenzulegen.

 

Die zweite Stossrichtung soll den Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit deutlich vereinfachen, indem Mietobjekte in Liegenschaften, deren Erstellungszeitpunkt nicht mehr als 20 Jahre auseinanderliegt, bezüglich der Bauperiode in jedem Fall als vergleichbar qualifiziert werden. Zustand und Ausstattung von Mietobjekten sollen grob in eine von drei Kategorien eingeteilt werden, was im Ergebnis dazu führen dürfte, dass auch Objekte miteinander verglichen werden, die sich klar unterscheiden. Darüber hinaus soll es genügen, dass drei Vergleichsobjekte aufgezeigt werden können und es soll neu auch eine amtliche oder branchenetablierte Statistik zum Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit genügen.

Dies ist der Inhalt des Vorschlags der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates, er ist abrufbar unter https://www.parlament.ch/de/organe/kommissionen/sachbereichskommissionen/kommissionen-rk/berichte-vernehmlassungen-rk/vernehmlassung-rk-n-16-451-17-493.
Die Vernehmlassung läuft noch bis 10. April 2024.


Wie die Zukunft dieses Projekt aussieht und die Probleme auf dem Wohnungsmarkt damit tatsächlich angegangen werden können, ist derzeit völlig offen. Das geltende Recht führt im Ergebnis dazu, dass die Mieten bei langjährigen Mietverhältnissen deutlich tiefer sind als bei neu angebotenen Objekten mit gleichem Alter und Zustand. Das hat zur Folge, dass insbesondere ältere und alleinstehende Personen, deren Raumbedürfnisse oftmals geringer sind als sie bei Bezug der Wohnung waren, einen Wechsel in eine objektiv besser passende Wohnung unterlassen, weil angebotene neue Wohnungen oftmals deutlich teurer wären. Der in die Vernehmlassung gegebene Vorschlag würde daran kaum etwas ändern, sondern vereinfacht es vielmehr, nachzuweisen, dass eine geforderte Miete orts- und quartierüblich ist, auch wenn die tatsächlichen Bestandesmieten deutlich darunter liegen. Wollte man eine Entspannung des Marktes erreichen, so wäre eine Lösung gefragt, welche zu einer höheren Liquidität auf dem Markt für Mietwohnungen führen würde.

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Beitrag von:

Urs Schuppisser, Rechtsanwalt bei KELLER Rechtsanwälte AG mit den Spezialgebieten Miet- und Baurecht sowie Handels- und Wirtschaftsrecht

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